Unser Großvater Georg war bereits 70 Jahre alt, als wir Zwillinge 1955 zur Welt kamen. Wir kannten unseren Opa nur als alten Mann hager gewachsen, mit knochigem Gesicht. Ich kannte ihn nur mit Schnurrbart und kurzgeschorenen Haaren. Seine Haare kürzte Opa immer selber mit seiner Haarschneidemaschine. Auf seinen Haarschnitt Apparat passte er besonders auf. Wir fanden das Gerät in einem aus Kirschholz gefertigten aufklappbaren Sekretär. Natürlich probierte mein Bruder dieses faszinierende Instrument gleich bei mir aus. Bis auf die Kopfhaut rasierte er meine zarten Haare ab. Er schaffte aber nur einen Streifen und gab dann auf. Daheim angekommen, schlug unsere Oma ihre Hände über ihrem Kopf zusammen. Ich sah wie ein gerupfter Truthahn aus. Es half alles nichts, meine Oma versuchte mit ihrer Schneiderschere den Schaden einigermaßen zu reparieren. Weil die Spur der Verwüstung vom Hinterkopf nur ein Stück weit nach oben zu sehen war, musste Bernhard das Maschinchen herholen, um die hintere Schopfschneise links und rechts nachzuschneiden. Er versuchte, sich zu drücken und konnte den Auftrag nicht ausführen. Der Opa am anderen Ende des Dorfes hatte sein Friseur Gerät an einem anderen Ort versteckt, damit keiner seinen wertvollen Automat fand. Daraufhin nahm sich unsere Oma ein Herz und ging selbst zum Vater ihres Schwiegersohns. Sie kam nicht mit dem Apparat zurück, sondern forderte mich auf, selbst zum Amateurfriseur zu gehen, damit er mir wieder einen sauberen Burschen aus mir macht. Gekonnt setzte der Großvater seine frisch geölte Maschine an. ruck zuck bügelte er das Desaster aus und wir gingen nie mehr an seine geliebte Haarschneidemaschine ran.


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