Ich hab heute was Tolles gefunden, schaut mal her, die Uhr war einfach da auf dem Wegrand gelegen. Zuerst traute ich meinen Augen nicht und dachte, es sei nur ein weggeworfenes, leeres Bonbonpapier. Aber guckt mal, es ist eine schöne Armbanduhr von Junghans. Das Lederband ist zwar durch den Frost und den inzwischen aufgetauten Schnee nicht mehr ansehnlich. Der Winter hat halt seine Spuren hinterlassen, aber das Uhrwerk geht noch. Ich habe sie gerade aufgezogen, die deutsche Wertarbeit macht sich halt bezahlt. Meine erste Armbanduhr war etwas Besonderes für mich. Immer wieder schaute ich auf das Meisterwerk der Firma Junghans. Als ich 14 Jahre alt wurde, durfte ich mir eine Armbanduhr wünschen. Eine schlichte Uhr wählte ich mir aus. Das Zifferblatt war hell gehalten und die Zeiger waren golden, genauso wie das Uhrgehäuse. Ein braunes Echtlederarmband passte wunderbar zu dieser eleganten Ausführung meines ersten Chronometers. So oft wie junge Leute heute auf ihr Mobiltelefon schauen, genauso oft schaute ich auf meine Uhr. Dabei zeigte der Zeitmesser nur die Zeit an, es kamen keine Nachrichten auf dem runden Display an. Telefonanrufe konnte ich auch nicht entgegennehmen. Ja, nicht einmal Fotos konnte ich mit dem neuen Gerät erzeugen. Und wenn ich vergessen hatte, die Uhr mit dem Seitenrädchen aufzuziehen, stoppte das Uhrwerk einfach. Trotz all dieser nicht vorhandenen Funktionen liebte ich meine bescheidene Armbanduhr. Unzählige Male streifte ich tagsüber meinen Hemdärmel etwas nach oben, um auf meine Uhr zu schauen. Lehrer und mein Vater rügten mich des Öfteren, weil es ihnen auffiel, dass ich mich mehr auf meine Uhr konzentrierte, als auf das ihrer Meinung nach wichtigere Geschehen ihrer Unterweisung. Bis heute lehne ich im Grunde meines Herzens jede Bevormundung ab. Dennoch hörte ich auf meine Erzieher und ertrug die unerwünschte Fremdbestimmung. Schaue nicht schon wieder auf deine Uhr, höre ich heute noch, wenn ich an einige frühere Momente denke. Dann passierte das Unvorhergesehene. Beim Blick auf meinen linken Unterarm war meine Armbanduhr nicht zu sehen. Ich krempelte meinen Ärmel weiter nach hinten, nein, die Uhr ist nicht nach hinten gerutscht. Die Uhr war verschwunden. Stundenlanges Suchen brachte keinen Erfolg. Selbst auf dem abgeernteten Kartoffelfeld fand ich die geliebte Uhr nicht. Der Herbst verging und der Winter rückte immer näher. Nicht einmal meinem Lehrer ist es aufgefallen, dass ich nicht mehr auf mein Handgelenk schaute, um meine Uhr zu bewundern. Auch in meiner Familie war die verlorengegangene Uhr kein Thema mehr. Nur ich litt immer noch an dem Verlust des zu mir gehörenden Utensils. Ein kalter Winter wurde von der ersten Märzsonne langsam zum Abschied aufgefordert. Der Frühling setzte sich von Tag zu Tag mehr durch. An meine Armbanduhr dachte niemand mehr. Sogar ich dachte nicht mehr an das nicht mehr vorhandene Prunkstück. Die ersten Arbeiten auf den Feldern und Wiesen sollten erledigt werden. An einem sonnigen Frühlingstag, es war schon nach der Mittagszeit, setzte ich mich neben meinen Vater auf unseren Traktor und wir fuhren Richtung Altmain Gewässer. Auf einer Wiese kam der frühere Fährmann auf uns zu und wollte uns etwas zeigen. Seit die Staustufe in Knetzgau am Main in Betrieb genommen wurde, änderte sich auch das Leben des früheren Fährbetriebs. Die Fähre wurde nicht mehr gebraucht und der Fährmann verlor seine Arbeit. Um ans andere Ufer zu gelangen, nahm Bastl den neuen Steg an der Staustufe und erkundete die Mainauen auf der Augsfelder Mainseite. Mein Vater stellte den Motor des Schleppers ab und Bastl aus Knetzgau strahlte bis hinter seine Ohren. Na Bastl, wie geht es dir, fragte ihn mein Vater. Ich hab heute was Tolles gefunden, schaut mal, die Uhr war einfach da auf dem Wegrand gelegen. Zuerst traute ich meinen Augen nicht und dachte, es sei nur ein weggeworfenes, leeres Bonbonpapier. Aber schaut mal, es ist einen schöne Armbanduhr von Junghans. Das Lederband ist zwar durch den Frost und den inzwischen aufgetauten Schnee nicht mehr ansehnlich. Der Winter hat halt seine Spuren hinterlassen, aber das Uhrwerk geht noch. Ich habe sie gerade aufgezogen, die deutsche Wertarbeit macht sich halt bezahlt. Papa, rief ich aus, das ist meine Uhr, die ich im Herbst verloren hatte. Nein, sagte der alte Fährmann, die Uhr gehört mir. Aber es ist wirklich meine Uhr, beteuerte ich ihn. Bastls Gesicht zeigte uns, dass er hin und her überlegte, wie er sich jetzt entscheiden solle. Er blickte etwas enttäuscht drein und guckte mich zögernd an. Also gut, ich merke, dass du die Wahrheit sagst. Da nimm deine Uhr und verlierst sie nicht gleich wieder. Überglücklich nahm ich meine Uhr entgegen und bedankte mich herzlich bei dem alten, pensionierten Fährmann. Bei Uhren Amberg in Haßfurt ließ ich mir ein neues Lederarmband anbringen und hatte viele Jahre Freude an meiner wiedergefundenen Junghans Armbanduhr.


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