Bildstock. 

Vor unserem alten Haus stand ein Bildstock, den die Leute in Franken auch Martella nennen. Unsere Oma sagte uns, dass unter dem Bildstock ein Schatz vergraben liegt. Als unser altes Haus einem neuen weichen musste, war es endlich soweit. Der Bildstock wurde zur Seite geräumt und eine Baugrube wurde ausgehoben. Der Radlader grub sich immer tiefer in den Sandboden hinein. Augsfeld liegt in den Mainauen. Deswegen liegt von den Ausläufern der Haßberge bis zu den Hängen des Steigerwalds viel Sand am Grund des Bodens. Nach und nach kam die Maschine an die Stelle, wo wir den Goldschatz vermuteten. Vorsichtig entlud der Fahrer Schaufel um Schaufel auf der Ladefläche des Lastwagens. Wir Buben wollten auf Nummer sicher gehen und buddelten das letzte Stück mit unseren Händen auf. Nichts. Absolut nichts als rotbrauner, nasser Sand kam zum Vorschein. Keine Kiste, nur gewachsener fester Sand. Wir waren enttäuscht. Na gut, wir fanden uns mit der Desillusion ab und verarbeiteten die Frustration damit, dass wir tüchtig beim Bau des Hauses mithalfen. Nachdem der Grund ausgehoben war, klaffte ein riesiges Loch aus dem Grundstück. Der Bauunternehmer Hermann Wagenhäuser trat sehr resolut auf. Mit den Bauplänen in der Hand wies er seinen Maurer Wilhelm Ringer in seine Regie ein. Ihr könnt gleich ein Fundament ausheben. Mit Stricken war die Richtung abgesteckt. Spaten und Schaufel standen bereit.

Sobald der Unternehmer Wagenhäuser mit seinem Mercedes weggefahren war, übernahm der Ringers Wilhelm das Kommando. Ihr Buben könnt einfach weitermachen, sagte er, und zündete sich erst mal eine Zigarette an. "Josef, hast du einen Schnaps da?", fragte er meinen Vater. Ich musste zum Robert Schober gehen und einen halben Liter Zwetschgenschnaps und einen halben Liter Kornschnaps holen. Die beiden Schnapsflaschen legte Wilhelm hinter den Stapel Ziegelsteine. Dann schalte er mit Holzbrettern das Fundament ein. Am nächsten Morgen war Wilhelm sehr früh auf der Baustelle. Als erstes zündete er sich wieder eine Zigarette an und nahm einen ordentlichen Schluck vom Kornschnaps. So kann der Arbeitstag beginnen, meinte er. Er kratzte sich an seinem  Hinterkopf und klappte seinen Meterstab auf. Heute werden wir das Fundament fertigstellen, sagte er zu meinem Vater.

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