Strohhaufen.
Ein schrilles Pfeifen schreckte uns in der Höhlung auf. Das war Armin. Wir krochen zum Ausgang und schauten nach draußen. Entwarnung. Armin wollte nur mal testen, ob wir seinen Warnpfiff auch wirklich hören konnten. Nachdem im Hochsommer die Schnitternte abgeschlossen war, mussten Berge von Stroh gelagert werden. Das Getreide war das kostbare Gut und brachte den Bauern einen beträchtlichen Verdienst ein. Mit dem Stroh verhielt es sich anders. Wohin damit? Die Scheunen waren schon mit Heu und dürrem Klee bis unters Dach gefüllt. Also wurden Strohhaufen in der Nähe des Dorfes errichtet. Für uns Kinder ein idealer Anlass, um eine Burg mit Gängen und Kammern zu bauen. Klar musste unser Vorhaben im Geheimen ablaufen. Wenn wir mit fünf Freunden tätig waren, mussten wir vorsichtig sein. Wenn uns ein strenger Landwirt dabei erwischt, können wir unsere Mission beenden. Das hieß für uns, dass wir mindestens einen Wachposten aufstellen mussten. Zwei Leute übernahmen diese Aufgabe missmutig, denn alle wollten beim Bau des Abenteuers dabei sein. Armin, der Kleine, meldete sich freiwillig zum Wachdienst und Günther schloss sich ihm an. Jetzt konnten wir loslegen. In der Regel begannen wir mit unserem Umbau des Strohhaufens auf der hinteren Seite des Objektes. Als erst mal ein erster unterer Strohballen aus dem Gebilde herausgezogen war, konnten weitere Büschel folgen. Wir verlängerten mit den herausgenommenen Ballen einfach den Haufen um weitere Lagen und setzten die übrigen Garben oben drauf. Immer tiefer gruben wir uns in unser neues Zuhause. Obwohl die Strohhalme kratzten und juckten, ignorierten wir die Unbehaglichkeit und ertrugen die Atemnot in der Höhle. Natürlich wurde es immer dunkler in der Höhle. Wer besorgt uns Taschenlampen? Ludwig marschierte los und kam nach zehn Minuten mit zwei Lampen und drei weiteren Freunden zu unserer neuen Siedlung. Jürgen, der mit seiner Familie anfangs bei Ludwigs Familie wohnte, hörte auf Ludwig, als wenn es sein großer Bruder gewesen wäre. Mit einer Dynamik und einer bemerkenswerten Ausdauer unterhöhlten wir diesen Strohhaufen so perfekt, dass wir selber über unsere Kreativität staunten. In der ersten Nacht blieben drei Kumpel sogar in unserem neuen Haus wohnen. Weil Schulferien waren, konnten wir sie in aller Frühe besuchen. Wir brachten ihnen etwas zu essen und zu trinken mit und bauten anschließend weiter. Wenn wir die Burg verließen, schoben wir einen passenden Strohbüschel in das Eingangsloch und kontrollierten vorsichtshalber die Umgebung, ob auch wirklich alles so aussah, als ob nichts passiert wäre. Bis zum Ende der Sommerferien bewohnten wir zeitweise unsere Strohbehausung.

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