Wiebke. 

Mit heftigen Windböen zog in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 1990 der Sturm Wiebke über Europa hinweg. Dächer wurden abgedeckt und zahlreiche Bäume knickten wie Streichhölzer um. Bahnstrecken und Straßen mussten gesperrt werden. Der Wind war so heftig, dass ich befürchten musste, das Dach unseres Hauses könnte vom Orkan komplett weggerissen werden. Gottlob hielt die Verankerung dem Wirbelsturm stand. Diesem Orkan gingen die Stürme Daria, Herta, Judit, Nana, Ottilie, Polly und Vivian voraus. Radiosender berichteten von 285 km/h Windgeschwindigkeiten und von 60 bis 70 Millionen Festmetern Sturmholz, das zu beseitigen war. Unseren nördlichen Steigerwald tangierte der Sturmwind Wiebke besonders schwer. Der entstandene Schaden in der Forstwirtschaft war enorm. Nachdem sich der Sturm gelegt hatte, lagen auch in unserem Bereich des Steigerwaldes unzählige Buchen und Eichen quer übereinander. Die Forstwirte und Waldarbeiter des hiesigen Forstamtes konnten die Menge der umgefallenen Bäume unmöglich aus eigener Kraft alleine aufräumen. Unser Förster Jakob Behr von der Forstdienststelle Oberschwappach war daher froh über jede Hand, die mit anpackte, um das umgefallene Holz aus dem  Wald zu holen. Seit Jahren war Jakob Beer unser Ansprechpartner in Sachen Holzeinschlag.  Als ich in das Büro des Försters kam, blickte mich der geplagte Forstmann irgendwie überarbeitet und gestresst an und sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass er bei meinem Erscheinen einen fertigen Plan für mich in seinem Kopf hatte. Förster Beer wusste, dass mein Zwillingsbruder und ich zuverlässige Hobbyholzmacher waren. Ich musste eigentlich gar keine Frage an ihn stellen. Er konnte meinen Wunsch von meiner Nase ablesen. Sie brauchen frisches Sturmholz, gell? Wenn sie 15 Minuten warten könnten, dann fahre ich mit ihnen raus in das Gehölz. Bis der Förster soweit war, wartete ich im Hof des Forstamtes auf ihn und betrachtete sein olivgrünes, altes, allradgetriebenes Forstauto. Es war ein japanischer Subaru. Robust und mit hohem Einstieg bestimmt gut geeignet für den Forstbetrieb, dachte ich mir. Da kam der Förster auch schon mit seinem Jagdhund auf mich zu und bat mich, ihm mit meinem Wagen zu folgen. Rasant fuhr er die Straße Richtung Eschenau den steilen Hang hinauf. Mit einem gewissen Abstand folgte ich ihm und er bog zigmal in den geschotterten Waldwegen mal links, mal rechts ab. Dann stoppte er sein Auto und stieg aus. Seinen Hund ließ er im Fahrzeug.  Er zeigte mit seiner Hand auf eine tiefer gelegene Waldung und meinte, da könnt ihr so viel Holz wegtransportieren, wie ihr wollt. Euch trau ich es zu. Trotzdem müsst ihr höchst vorsichtig vorgehen, die Baumstämme liegen kreuz und quer übereinander. Durch die enorme Spannung der oft verkeilten Baumstangen braucht ihr einen klaren Verstand und ein geschicktes Vorgehen bei eurer Arbeit. Das Holz gebe ich euch kostenlos, weil ich meine eigenen Forstleute dringend woanders brauche. Da runter in dieses steile Tal kann ich auch keinen anderen Holzmacher schicken, das kann ich nur euch beiden Brüdern anvertrauen. Ihr seid mit euren 35 Jahren die Richtigen für diesen Dschungel: Traut ihr euch das zu? Da habt ihr viele Monate zu tun! Ja, ich bespreche es mit meinem Bruder und dann sage ich ihnen Bescheid. Der Förster verabschiedete sich und kraxelte den Hang hinunter,  um das angebotene Areal zu begutachten. Bäume über Bäume hatte der Sturm entwurzelt oder einfach abgeknickt. Da hat uns der Behr eine Menge Arbeit beschert. Und wir sollten diesem Himmelfahrtskommando zustimmen. Noch am selben Tag suchte ich meinen Bruder in Augsfeld auf und wir fuhren am  späten Nachmittag gemeinsam in den Wald. Als ich Bernhard das uns zugeteilte Waldstück zeigte, leuchteten seine Augen hell auf und er meinte, dass wir hier für zehn Jahr Holzvorrat heim transportieren könnten. Er musste sich entscheiden, denn den Traktor mit Anhänger konnte er nur zur Verfügung stellen. Auf dem Heimweg gaben wir dem Förster gleich Bescheid, dass wir sein Angebot annehmen würden und er freue sich über unsere Wahl.

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