Einmal im Jahr reicht es nicht aus, seine Haare schneiden zu lassen. Als mein Bruder und ich so Heranwachsende waren, besuchten wir zusammen mit unserem Vater einen besonderen Herren Friseursalon. Der Inhaber des Geschäfts kam aus Norddeutschland und war mit einer weitläufigen Base unseres Großvaters verwandt. Es hing damit zusammen, dass unser Urgroßvater Ignatius eine geborene Mergenthaler aus Knetzgau geheiratet hatte. Um eine lockere Verbundenheit mit der Base zu zeigen, nahm unser Vater den Aufwand in Kauf und besuchte mit uns Buben alle paar Monate diesen Friseur in Knetzgau. Das Geschäft  befand sich an der Hauptstraße in Knetzgau. Zwischen den beiden Dörfern Augsfeld, wo wir wohnten, und Knetzgau, wo sich der Friseursalon befand, fließt der Main. Also mussten wir über die Staustufe den Fluss überqueren. Einen Kilometer mit dem Traktor zum Main fahren, dann über die Staustufe laufen. Unter dem Steg war das Wasser zu sehen, weil der Übergang mit Metallgitter ausgelegt war. Manch einer hatte es da mit der Angst bekommen. Wir drei Männer gingen unerschrocken darüber. An der anderen Mainseite angekommen, gingen wir nochmal einen knappen Kilometer bis zum Friseursalon. Gleich beim Öffnen der Geschäftstüre rochen wir den guten Duft eines Frisiersalons. Die Herren und Damen waren getrennt. Vollbesetzt war der Herrensalon immer. Wir mussten warten, bis die Plätze frei wurden. Der Seniorchef und sein Sohn und ein Auszubildender hatten vollauf zu tun. Verschiedene Zeitschriften weckten unsere Aufmerksamkeit. Jeder von uns blätterte ein buntes Journal durch. Allerdings waren die Gespräche zwischen den Kunden und den daneben arbeitenden Friseuren wesentlich interessanter. Endlich konnte sich schon einer von uns setzen, dann der zweite und dann auch der dritte. Flott kam einer nach dem anderen dran. Frisch frisiert und mit Haarwasser gut duftend, hatten wir die Prozedur überstanden. Jetzt kam die Belohnung. Wir besuchten die gegenüberliegende Gaststätte „Drei Linden“. Auf dem Tisch stand ein Korb mit Salzbrezeln. Unser Vater bestelle für jeden ein paar Polnische und ein Getränk. Weil wir im Wachsen waren, verspeisten wir Brezen um Brezen und ließen weitere Knacker auftischen. Die anderen Gäste wurden auf uns aufmerksam und unser Vater konnte sich mit seinen Zwillingen brüsten. Die Beiden sollen groß und stark werden, lasst sie nur kräftig zulangen. Von nichts kommt nichts. Nach dieser Aktion machten wir uns auf den Heimweg und freuten uns, in ein paar Monaten das Schauspiel zu wiederholen.



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